„Pizza und Pasta tausche ich gegen jedes Schnitzel der Welt.“
Marco Wanda ist mit seiner Band Wanda der aktuell wohl größte Rockstar Österreichs. Ihre Konzerte füllen auch in Deutschland die größten Hallen. Von seinen Fans wird Marco geliebt. Nun hat er schon in vergleichsweise jungen
Marco Wanda ist mit seiner Band Wanda der aktuell wohl größte Rockstar Österreichs. Ihre Konzerte füllen auch in Deutschland die größten Hallen. Von seinen Fans wird Marco geliebt. Nun hat er schon in vergleichsweise jungen Jahren seine Autobiographie geschrieben. „Dass es uns überhaupt gegeben hat“ hat es längst in die Spiegel Bestsellerliste geschafft. Und das völlig zurecht! Ein wirklich toll geschriebenes Buch über den Aufstieg von Wanda. Wir wollten mehr über das Leben und Denken von Marco Wanda erfahren und haben uns mit ihm zum Interview getroffen.
Schön, dass du dir die Zeit für uns nimmst, Marco. Hier sind unsere Fragen an dich, verbunden mit ganz lieben Grüßen von allen aus unserer Redaktion.
Freu mich, los geht’s.
Was war es für ein Gefühl auf der Spiegel Bestseller Liste zu landen? Hattest du das erwartet?
Ich habe das weder erwartet noch war es ein Wunsch. Ich mache Dinge, weil sie sich dringlich anfühlen, weil sie mich überfallen und mir keine Wahl lassen. Ich denke beim Schreiben nicht an kommerzielle Kategorien, sperre auch mein Publikum in meinem Geist aus dem Schreibprozess aus, denn ich möchte nicht mutmaßen, was sie lesen wollen. Die Menschen haben Literatur und Musik verdient, die sie nicht bereits im Moment des Entstehens zu KonsumentInnen degradiert, sie haben etwas Heiliges verdient, den Bericht einer Seele, die durch alle Himmel und Höllen gegangen ist, um ihnen aufzuzeigen, dass sie niemals alleine sind in ihrem Schmerz, niemals aufgegeben, niemals vergessen.
Du sagst oft, Musik sei dein Leben. Hat sich dein Blick auf Musik nach dem Schreiben des Buches verändert?
Man kann aus allem lernen. Aus Musik kann man etwas über das Schreiben lernen, aus dem Schreiben etwas über das Reden, aus dem Reden kann man etwas über Stille lernen, aus Stille etwas über Liebe, aus Liebe etwas über Literatur, Fußball – wie der Ball rollt – hat etwas mit dem Schreiben von Worten zu tun, Trauer lehrt uns etwas über Wachstum, Angst etwas über Mut, Mut etwas über Armut, Armut etwas über Ungerechtigkeit, das Empfinden von Ungerechtigkeit kann uns lieben lassen, und, und, und.
Wenn dein Buch eines deiner Lieder wäre, welches?
Mein Buch ist Ausdruck meiner Existenz, ich habe mich beim Schreiben so lebendig wie lange nicht mehr gefühlt. Jahrelang hatte ich Probleme damit, Schmerz oder Ambivalenzen auszuhalten, habe sehr viel Alkohol getrunken, um irgendwann zu erkennen – Schmerz möchte gesehen werden, wenn man ihm diese Aufmerksamkeit gibt, geht er in Frieden. Das Buch zu schreiben war für mich ein besonderer Wachstumsprozess, und das Buch übersteigt meine Lieder um ein Vielfaches. Lieder schreiben ist harte Arbeit, man muss in wenigen Zeilen viel zu viel zum Ausdruck bringen. Prosa, Literatur war für mich ein notwendiger Befreiungsschlag. Es war eine herrliche Zeit, dieses Buch zu schreiben.
Wird es irgendwann einmal einen Schauspieler Marco Wanda geben?
Mensch, sind wir nicht alle Schauspieler? Wir spielen uns so lange, bis wir uns unser Auftreten glauben. Den Beruf eines Schauspielers stelle ich mir frustrierend vor, ich möchte keine fremden Texte wiedergeben, ich möchte sie schreiben.
Wenn du dein jüngeres Ich aus der Zeit vor Wanda treffen würdest – was würdest du ihm sagen wollen?
Ich würde mich bedanken, denn dieser junge Mensch hat gegen alle Widerstände und Vorzeichen niemals den Glauben an sich und seine Kunst verloren. Dieser Mensch war mutiger, als ich es jemals wieder sein könnte, stand mit dem Rücken zur Wand und ist nach vorne geflüchtet, hat sich auf alles und jeden eingelassen, Entscheidungen getroffen, denen ich mein Leben verdanke. Ich glaube, ich würde weinend vor ihm stehen, und ich glaube, ich würde ihm gar nichts sagen wollen, denn er hat auf seine Weise alles richtung und richtig falsch gemacht. War ein guter Junge, der rasende, besessene, schüchterne Teenager-Marco.
Wer sind deine 5 Alltime Favourite Acts in der deutschsprachigen Pop- und Rockmusik (tod oder lebendig)?
Der Nino aus Wien, Rio Reiser, Mozart, Nina Hagen und Wanda.
Eure Songs schwanken oft zwischen Lebenslust und Melancholie, zwischen Exzess und Vergänglichkeit. Glaubst du, dass man die Intensität des Lebens nur wirklich spürt, wenn man auch die Dunkelheit zulässt?
Ohne Schmerz kein Wachstum, ja, aber von Dunkelheit würde ich nicht sprechen. Verluste, Trennungen, persönliche Krisen und Tragödien können uns weicher machen, können uns helfen, eine Beziehung zu uns selbst aufzubauen. Und am Ende haben wir nichts, als diese Beziehung zu uns selbst. Wir sind viel zu oft streng mit uns, unsere Gedanken wenden sich gerne gegen uns, aber wir sind nicht diese Gedanken, wir können uns wehren, lernen, uns ernst zu nehmen und zu vertrauen. Lieben bedeutet, den anderen zu sehen, wie er ist, nicht wie wir ihn uns wünschen oder verändern wollen, das gilt dann auch für uns in unserer Beziehung zu uns selbst – sich selbst lieben lernen, heißt, sich selbst zu sehen, wie man wirklich ist.
Wo wir schon beim Thema Dunkelheit sind (Stichwort Trump & Putin, AfD & FPÖ) Wie sieht Marco Wanda die Zukunft der Menschheit?
That old silly mankind … naja, wir sind eine ambivalente Spezies, arbeiten an unserer Vernichtung und an unserer Heilung gleichzeitig. In diesem Spannungsfeld werden alle Zvilisationen aufstehen und vergehen, aber wir können lieben, und das braucht dieses leere Stück Gestein und Gravitation, uns gibt es nur, weil wir lieben.
Glaubst du, dass die Spaltung der Gesellschaft aufzuhalten ist?
Nur, wenn wir lernen Ambivalenzen auszuhalten. Die Linken und die Rechten wollen sich jeweils auslöschen. Aber das wird nicht laufen, solange es Menschen gibt, wird es unterschiedliche Denkweisen geben. Es ist nicht ein bestimmtes Lager, das die Demokratie gefährdet, es sind beide, in ihrem Verfehlen, sich die Hände zu reichen.
Zum Schluss noch drei Fragen zu Wien: Wie wichtig war Wien für euren Erfolg?
Das weiß ich nicht, dachte immer wieder drüber nach, finde keine Antwort. Für mich waren immer Menschen und Begegnungen immer wichtiger als Städte.
Wir fahren bald schon selbst nach Wien. Was sollen wir uns unbedingt anschauen? Hast du irgendeinen Geheimtipp.
Ich glaube, eine gelungene Reise entscheidet sich mit dem Vibe, in dem man aufbricht. Offen für alles sein, offen für spontane Schönheit. Bestimmte Orte spielen keine Rolle.
Österreichisch Essen gehen wir natürlich auch. Auf welches Gericht wirst du nie in deinem Leben verzichten wollen?
Ich habe ja italienische Vorfahren… Also, Pizza und Pasta tausche ich gegen jedes Schnitzel der Welt.
Und eine allerletzte Frage: Hast du immer noch kein Smartphone? Falls nein, meinst du, dass du das dein ganzes Leben durchziehst
Ich erinnere mich an eine Zeit, meine Kindheit in den Neunzigerjahren, da hatten wir das alles nicht, alles, was wir hatten, waren Parks, Plätze, Wälder, und diese Orte waren wie Verlängerungen unserer selbst, diese Orte haben ganz uns gehört, und wir waren sehr präsent in ihnen, und die Welt war wie ein unermesslicher Spielplatz. Es war eine Kindheit und Jugend voller Begegnungen, Menschen waren wie Lichter in einer vollkommenen Dunkelheit – die Welt – und wir sind diesen Lichtern gefolgt, wir waren immer dort, wo diese Lichter erschienen, und immer haben Menschen Veränderungen in unser Leben getragen, alle waren ganz nah, und es war nie kalt oder einsam. Als das Smartphone und das Internet kamen, hat das alles aufgehört. Alle wurden Inseln und trieben auseinander, das, was uns angeblich verbindet – das Internet – trennt uns mehr als jemals zuvor. Also nein, ich werde in diesem Leben kein Smartphone besitzen.
Vielen lieben Dank, Marco. Dir und Wanda alles Gute weiter!
Das wünsche ich euch auch.
Interview. Selma Kirschenmann / Vielen Dank an den Verlag Paul Szolay in Wien für den netten Kontakt