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Eine Liebeserklärung an Wien

Der Ernschtle Redaktionsausflug ist jedes Jahr ein echtes Highlight für unsere Gruppe. Dieses Jahr ging es in die Hauptstadt Österreich, ins schöne Wien. Natürlich sind wir Riesenrad gefahren und natürlich haben wir auch in Wien

Der Ernschtle Redaktionsausflug ist jedes Jahr ein echtes Highlight für unsere Gruppe. Dieses Jahr ging es in die Hauptstadt Österreich, ins schöne Wien. Natürlich sind wir Riesenrad gefahren und natürlich haben wir auch in Wien Interviews geführt – mit der Band Sondaschule und der jungen österreichischen Schauspielerin Cosima Lehninger. Die Podcast-Folgen müsst ihr euch anhören! Unsere Chefredakteurin Selma hat Wien so sehr begeistert, dass sie eine Liebeserklärung an Wien verfasst hat. Im Frühjahr wird sie sogar ein Praktikum dort machen, im renommierten Verlagshaus Paul Szolnay.

Wie schreibt man einen spannenden Redaktionsartikel?
Die Zeit vergeht, ich hab ’ne riesen Schreibblockade und durchsuche meine Hirnwindungen nach einer Idee. Mein fast schon schwarzer Kaffee, der auf meinem Schreibtisch neben mir dampft, dient dem Zweck, mich zu motivieren, und ich hoffe, es funktioniert. Ich atme 2-, 3-mal ein. Ich rieche meine Holzmöbel, meine Kerzen und den Kaffee. Als ich das Fenster öffne, weiß ich: So hat sich Wien angefühlt. Ein Mix aus altmodischem Flair, Kälte, aber Herzenswärme in den Menschen.

In Wien war ich zuvor noch nie. Schon im Zug, auf dem Hinweg, malte ich mir Bilder aus, wie es dort wohl sein könnte. Natürlich war es besser als gehofft! (Wenn man die Zugfahrten auslässt.) Doch nun, lasst uns eine kleine Zeitreise machen …

„Boah, ist das schokoladig!“, sage ich am Frühstückstisch. Die Supermarkt-Sachertorte steht vor mir und lächelt mich an. Gleich gehen wir los, der Tag ist durchgeplant: Museum, Prater – alles ist heute dabei. Für mich ist das Wichtigste die Gemeinschaft. Wir haben uns hier alle so gut eingelebt, dabei sind wir erst so kurz da. Wien hat uns so richtig gut aufgenommen. Am Vorabend hab ich mich ganz alt gefühlt. Das Theater in der Josefstadt war wahrscheinlich das Hübscheste, das ich je gesehen hab. Das Stück, welches wir gesehen haben, war „Sommernachtstraum“ von Shakespeare. 430 Jahre alt. Wahnsinn.

Als wir aus dem Theater kamen, hing dieser typische Wiener Abendduft in der Luft – eine Mischung aus kühler Feuchtigkeit, alten Gemäuern und einem Hauch von Maroni, die irgendwo auf der Straße geröstet wurden. Wir liefen lachend zur Unterkunft, die letzten Sätze des Stücks noch im Kopf, und ich dachte mir: Wenn jeder Abend so enden würde, wäre das Leben ein kleines bisschen magischer. Doch ich wusste da noch nicht, dass Wien uns erst warm werden ließ – die eigentlichen Höhepunkte lagen noch vor uns.

Am nächsten Morgen (derselbe mit der Sachertorte) erwartete ich eigentlich totale Müdigkeit. Stattdessen war da fast ein Gefühl von Freiheit. Vielleicht lag es daran, dass ich in Wien zum ersten Mal das Gefühl hatte, wirklich tun zu können, was ich wollte. Einfach so. Ohne Eltern, ohne Verpflichtungen, nur wir, eine Stadt und ein Supermarkt, der für mich zum Inbegriff dieses kleinen Freiheitsrausches wurde.

Ich erinnere mich noch, wie ich mir morgens genau überlegt habe, was ich alles essen will! Morgens war es dann, als würden mir die Regale zurufen: Kauf, was du willst! Alles gehört dir! Ich starrte auf Croissants, Obst, viel zu süße Joghurts und selbstverständlich die Sachertorte. Zurückblickend vermisse ich dieses Frühstück total.

Vielleicht ist es das Schönste an solchen Fahrten, dass aus spontanen Dingen kleine Marmeladenglasmomente werden. An einem der Abende beschlossen wir, Pizza zu holen. Nichts Besonderes, sollte man meinen. Doch der Weg dorthin führte durch kleine Gassen, die aussahen, als wären sie aus einem alten Film gefallen. Enge Steinwege, gelbliche Laternen, kleine Türen mit Messingschildern, aus denen manchmal Gelächter drang. Und dazwischen die drei hungrigen Krieger, die uns die Pizza geholt haben. Und diese roch so ziemlich nach allem, was man nach so einem langen Tag braucht: Wärme, Tomaten, Oregano und endlich zur Ruhe kommen. Wir setzten uns in unser Apartment, schnatterten durcheinander und teilten die Pizza, als wäre sie eine heilige Gabe. Ich glaube, diese kleinen Momente werden die sein, an die ich mich später erinnere, wenn Wien längst wieder nur ein Name auf einer Karte ist.

Doch das Highlight (das absolute Highlight) war definitiv das Konzert von Sondaschule. Ich hatte vorher schon ein paar Songs gehört, aber live war es etwas völlig anderes. Die Halle vibrierte, der Boden klebte von verschüttetem Bier, und trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) war es perfekt. Das Interview war auch so krass. Normalerweise stelle ich mir Musiker immer etwas distanziert vor – zu beschäftigt, zu cool. Aber selten, wirklich selten, habe ich so nette Menschen interviewt. Bodenständig, ehrlich, witzig, als würde man sich schon ewig kennen.

Übrigens: Wien im Winter hat etwas, das man schwer beschreiben kann. Es ist nicht nur kalt – es ist schön-kalt. Die Art von Kälte, die dich nicht nervt, sondern dazu bringt, deine Hände tiefer in die Taschen zu stecken und dich richtig weihnachtlich zu fühlen.

Tagsüber entdeckten wir zufällig einen kleinen Weihnachtsmarkt. Nicht so überfüllt wie die berühmten, eher ein versteckter Schatz. Lichterketten funkelten, Stände rochen nach Zucker und Würstchen, nach Punsch und nach Trubel. Der Geruch und die Atmosphäre haben mich schnell überzeugt, einen der riesigen Krapfen zu probieren. Mein Fazit: Wenn man schon arm wird, dann wenigstens mit einem leckeren Berliner/Krapfen.

Im Laufe der Tage lernten wir die Stadt kennen wie eine neue Freundin. Manche Orte waren laut und wuselig, andere still, fast poetisch. Die schönsten Gassen fanden wir nie auf Anhieb – wir stolperten hinein. Hinter jeder Ecke wartete etwas anderes: ein kleines Café, ein Schaufenster voller alter Bücher, ein Innenhof, der aussah wie ein Gemälde.

Ich glaube, genau das war es, was Wien so besonders für mich machte: Es war nicht eine Sehenswürdigkeit oder ein bestimmtes Gebäude. Es war diese Mischung aus Geschichte und Zufall, aus Eleganz und Alltag. Eine Stadt, die nicht einmal versucht, sich dir aufzudrängen, sondern einfach da ist – bereit, wenn du bereit bist.

Und nun? Jetzt sitze ich wieder an meinem Schreibtisch. Der Kaffee ist längst kalt geworden, meine Kerzen flackern und durch das Fenster weht kalte Luft. Ich schließe die Augen und plötzlich ist Wien wieder da.
Die Musik von Sondaschule.
Der klebrige Boden.
Der kleine Weihnachtsmarkt.
Der viel zu teure Kaiserschmarrn.
Die Pizza in der warmen Schachtel.
Die Gassen, die sich wie Geschichten anfühlten.
Die Freiheit im Supermarkt.
Und der Hut des Sängers, der mich an meinen Vater erinnerte.

Vielleicht ist das das Geheimnis eines spannenden Redaktionsartikels: Nicht die perfekte Struktur, nicht die großen Worte. Ich hoffe, ich konnte euch einen Einblick geben, wie Wien sich für mich angefühlt hat. Wien hat mir gezeigt, dass Geschichten nicht geschrieben werden. Sie passieren – und wir dürfen sie festhalten.

(Selma KIrschenmann)

selma@ernschtle.de

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