Mord auf Ex / Ernschtle-Interview
Linn und Leonie betreiben einen der beliebtesten und erfolgreichsten Podcasts Deutschlands. In jeder Folge widmen sich die beiden einem anderen Verbrechen, gerne auch sogenannten "cold cases", also nicht aufgeklärten Fällen.

Linn und Leonie betreiben einen der beliebtesten und erfolgreichsten Podcasts Deutschlands In jeder Folge widmen sich die beiden einem anderen Verbrechen, gerne auch sogenannten „cold cases“, also nicht aufgeklärten Fällen. Der True Crime Podcast folgen jeden Monat bis zu 5 Millionen Hörer. Ihre Live-Touren fĂĽllen die größten deutschen Hallen. Kurz vor ihrer Deutschland-Tour haben wir uns mit den beiden per Videokonferenz ĂĽber ihre Karriere und das Podcast Business unterhalten.
Ernschtle: Hallo Linn und Leonie. Schön, dass ihr euch zwei Zeit nehmt für uns. Wir sind schon ganz gespannt.
Linn: Ja, wir auch. Heute stehen wegen unserer Tour ganz viele Interviews für uns an. Aber ihr seid die ersten heute. Man hat ja von vornherein wenig Zeit, weil ihr so viel auf Tour seid. Deswegen: Wir haben gar nicht so wahnsinnig viel Zeit, und Linn müsste auch jeden Moment kommen. Aber es ist doch cool – das hier ist tatsächlich unser erstes Interview!
Ernschtle: FĂĽr uns ist es schon das zweite. Heute morgen haben wir schon Matze Hielscher interviewt. Wir sollen euch liebe GrĂĽĂźe ausrichten.
Leonie: Danke. Cool, was ihr macht.
Ernschtle: Dann starten jetzt ganz entspannt mit ein paar Kurzfragen. Lieber Sommer oder Winter?
Leonie: Oh, direkt sowas? Eigentlich würde ich Sommer sagen – aber im Moment lieber Winter. Da können wir in Ruhe schreiben, und niemand will, dass wir draußen irgendwas unternehmen.
Linn: Ja, das ist bei mir genau der gleiche Grund. Kein Druck, an den See zu müssen – wir können uns einfach zurückziehen und schreiben. Winter hat das bessere True-Crime-Feeling.
Ernschtle: Stadt oder Land?
Linn: Beides ist natĂĽrlich geil!
Leonie: Ja, am liebsten die Hälfte des Jahres auf dem Land – in so einem kleinen Häuschen in den Bergen. Und die andere Hälfte in New York.
Linn: Ich bin aktuell total Team Land – aber das sage ich auch, während ich gerade aus einer Stadtwohnung spreche (alle lachen).
Ernschtle: Lieber sĂĽĂź oder salzig?
Linn: SĂĽĂź!
Leonie: Salzig!
Ernschtle: Lieber zurĂĽck in die Schulzeit oder direkt in die Rente?
Linn: Schulzeit!
Leonie: Ich glaube auch Schulzeit – aber mit weniger Stress. Alles, worüber man sich damals verrückt gemacht hat, wirkt im Nachhinein einfach nur dumm.
Ernschtle: Unter Wasser atmen oder fliegen können?
Leonie: Fliegen, ganz klar.
Linn: Oha, ich bin ja ein totaler Wassermensch! Ich glaube, ich würde lieber unter Wasser atmen können. Kommt natürlich aufs Gewässer an.
Ernschtle: Dann kommen wir jetzt zu den ausfĂĽhrlicheren Fragen: Was hat euch dazu inspiriert, den Podcast Mord auf Ex ins Leben zu rufen?
Linn: Ehrlich gesagt: Wir haben beide super viel True Crime gehört – aber es gab einfach zu wenig Podcasts in dem Bereich. Ich habe jeden Tag geschaut, ob neue Folgen rauskommen – aber da kam nichts. Dann haben wir gesagt: Komm, wir probieren es einfach mal. Wir erzählen beide total gern Geschichten – also haben wir einfach losgelegt.
Leonie: Und dann kam irgendwann auch True Love dazu. Es gibt einfach so viele schockierende, beeindruckende Geschichten, die erzählt werden müssen. Und Podcasts sind ein super Format, weil man einfach loslegen kann – man muss nicht erst in einem großen Medienhaus arbeiten oder sich jahrelang hocharbeiten. Man schreibt, produziert, veröffentlicht – und schaut, wie es ankommt.
Ernschtle: Habt ihr dann beide etwas in Richtung Journalismus studiert?
Leonie: Man studiert ja nicht „Journalismus“, es sei denn, man ist an einer privaten Hochschule. Ich habe Geschichte und Kulturwissenschaften sowie Kommunikationswissenschaften studiert.
Linn: Und ich habe zunächst BWL gemacht, dann noch Literatur und Philosophie angefangen – also auch kein klassisches Journalismusstudium. Ich wollte damals zur Zeitung und habe mich bewusst für Inhalte entschieden, über die ich schreiben kann. Man hat mir immer gesagt: „Studier nicht Journalismus, studier besser etwas, worüber du Bescheid weißt.“ Und so bin ich dann dort gelandet.
Leonie: Aber es gibt viele Wege in den Journalismus oder Podcast-Bereich – zum Beispiel über ein Volontariat. Das haben wir beide bei ProSieben gemacht – das war unser Einstieg.
Ernschtle: Wie wählt ihr die Fälle aus, die ihr im Podcast behandelt?
Leonie: Ganz unterschiedlich – wir haben eine riesige Liste. Wichtig ist, dass wir selbst etwas aus dem Fall mitnehmen: Etwas über die Zeit, die Gesellschaft, ein Gesetz, das daraus entstanden ist – oder einfach eine Geschichte, die so absurd ist, dass man sie erzählen muss.
Linn: Es reicht uns nicht, wenn es nur eine schreckliche Tat ist – da muss mehr dahinter stecken.
Ernschtle: Gab es einen Fall, der euch persönlich besonders naheging?
Leonie: Ja, viele. Aber ein Fall war besonders intensiv, der von Andreas Daso. Dazu haben wir sogar einen eigenen Podcast gemacht: Die Nachbarn. Wir haben Akten bekommen, mit Nachbarn und Beteiligten gesprochen – und gemerkt, da wurde noch nicht alles aufgedeckt. Solche Recherchen gehen einem viel näher als eine herkömmliche Sekundärrecherche.
Linn: Deswegen haben wir auch „Tiefe Spuren“ gegründet – für unsere investigativen Arbeiten. Da bauen wir eine enge Bindung zu den Protagonist:innen auf – das geht einem wirklich unter die Haut.
Ernschtle: Gab es auch Fälle, die ihr im Nachhinein nicht mehr machen würdet?
Leonie: Es gibt Fälle, die belasten einen stark. Aber wenn wir das Feedback der Angehörigen sehen, wissen wir, warum wir es gemacht haben. Ich habe mal über den Mord an einem jungen Mann in Bremen recherchiert, danach hat sich seine Schwester bei uns gemeldet. Die Folgen haben ihr geholfen, mit dem Fall abzuschließen – das war sehr bewegend.
Linn: Manche Fälle brechen wir auch ab, wenn es nicht weitergeht – oder wenn Beteiligte sich umentscheiden. Wir veröffentlichen nie etwas, wenn es heißt „Bitte nicht.“
Ernschtle: Mögt ihr lieber Cold Cases oder abgeschlossene Fälle?
Linn: Cold Cases! Da hat man das Gefühl, man kann noch helfen. Hinweise generieren, Aufmerksamkeit schaffen – manchmal bringt das richtig viel.
Leonie: Ich finde das auch gut, aber mich macht es wahnsinnig, wenn es keine Lösung gibt, deshalb mag ich persönlich lieber abgeschlossene Fälle.
Ernschtle: Wie läuft die Recherche bei euch ab – habt ihr ein festes Team?
Leonie: Früher haben wir alles zu zweit gemacht – heute sind wir zu siebt. An einer Folge arbeiten wir etwa vier Wochen. Skript schreiben, redigieren, Fact-Checking, Aufnahme, Abnahme – da steckt viel drin.
Ernschtle: Wie wichtig ist euch der Austausch mit eurer Community?
Linn: Total wichtig! Wenn eine Folge rauskommt, schauen wir direkt bei Social Media, was die Leute denken. Sind sie anderer Meinung? Haben sie was gelernt? Gab’s RĂĽckmeldungen?
Leonie: Mittlerweile sprechen wir ja auch über persönliche Themen – nicht nur True Crime. Und das Feedback dazu ist oft besonders schön.
Linn: Wir haben sogar mal über 130.000 € für eine Spendenaktion gegen Gewalt an Frauen gesammelt – nur durch unsere Community. Das macht uns richtig stolz.
Ernschtle: Ihr geht bald auf Tour. Ist das ganz anders als eure Studioaufnahmen?
Leonie: Total anders! Es ist wie eine richtige Show – mit Videos, Interviews, Schauspiel, Musik… Wir haben alles eingebaut, was geht.
Linn: Manchmal fĂĽhlt es sich an wie ein Schulprojekt mit riesigem Aufwand. Aber wir sind eben auch totale Streber. Das wird die geilste Show ever!
Leonie: Wir wollen, dass die Leute sagen: „Da geh ich wieder hin.“
Ernschtle: Könnten wir vielleicht zwei Presseausweise für die Show in Mannheim bekommen?
Ernschtle: Wenn ihr uns da auf die Gästeliste setzen könntet…
Linn: Klar, das ist gar kein Problem. Das mĂĽsst ihr euch anschauen. Jetzt wo wir uns kennen. (alle lachen)
Interview: Selma Kirschenmann, Coralie Goerke und Paul Jordan
Ein paar Wochen später waren wir dann tatsächlich in Mannheim bei der groĂźen „Mord auf Ex“ Live Show. GroĂźes Kino, so viel kann man sagen. Den Bericht von Larissa darĂĽber gibt es dann im neuen Ernschtle, das Anfang Juli erscheinen wird. Dort gibt es dann auch noch viele weitere tolle Interviews, u.a. mit Sänger Max Raabe, Podcaster Matze Hielscher, der Rockband Rise Against und Trainerlegende Winnie Schäfer.

