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Lehrer vorgestellt, heute: Herr Krug

Herr Krug ist erst seit diesem Schuljahr an der ERS. Schon in kürzester Zeit hat er sich einen Namen gemacht. Wir Schüler lieben ihn, weil er sich immer Zeit für uns nimmt, weil er sich

Herr Krug ist erst seit diesem Schuljahr an der ERS. Schon in kürzester Zeit hat er sich einen Namen gemacht. Wir Schüler lieben ihn, weil er sich immer Zeit für uns nimmt, weil er sich für uns interessiert und dabei immer nett und lustig ist. Unvergessen sind auch seine Tanzeinlagen bei der Faschingsparty oder in der Disko in Prag. Wir waren also einigermaßen gespannt, was Herr Krug uns im Ernschtle-Interview so alles zu erzählen hat.

Sie sind dieses Jahr an die ERS gekommen. Wie kam es dazu?

Ich bin ja auf eine komische Art in diese Schule gekommen. Eigentlich bin ich Lehrer an der Gemeinschaftsschule in Weingarten. Doch dann wurde ich zuerst nach Grötzingen an die Gemeinschaftsschule geschickt. Auf Geheiß des Schulamtes hat man mich nach dreieinhalb Wochen dann der Ernst Reuter Schule zugewiesen. Sehr gerne hätte ich Französisch und Geschichte in den Abschlussklassen unterrichtet, aber das ist nicht so ganz eingetroffen. 

Sport oder Deutsch? 

Wenn ich auswählen müsste, würde ich sagen eher Deutsch. 

Burger oder Pizza? 

Pizza.

Waren Sie in der Schule der Klassenclown, Streber, der Coole oder der Normalo? 

Also der Clown war ich nicht. Ich war eigentlich relativ unauffällig und ich bin erst auf meine ältere Zeit ein bisschen cooler geworden, würde ich sagen. Manchmal war ich ein ziemlicher Streber. (alle lachen)

Wollten Sie schon immer Lehrer werden? 

Ja, das ist eine ganz komische Geschichte.  Also ich komme aus einer Lehrer-Dynastie und meine Mutter wollte immer, dass ich Lehrer werde. Nur mein Vater, der wollte das nicht unbedingt. Und als ich dann fertig war mit dem Referendariat,  hat mein Vater zu mir gesagt „alles ist besser, nur nicht Lehrer werden“. Ich war dann 19 Jahre selbstständig. Und nach diesen 19 Jahren bin ich wieder in den Schuldienst zurück, weil ich gemerkt habe, dass mir die Arbeit mit Menschen gefehlt hat, insbesondere mit jungen Menschen. Und weil ich auch irgendwie was vermitteln wollte, was irgendwie auch in der Zukunft noch wichtig ist für Menschen. Und in meinem alten Beruf ging es immer nur um Geld und Geld ist nicht alles im Leben.

Was haben Sie gemacht, als Sie selbständig waren? 

Ich war Berufsphilatelist, das heißt ich habe 19 Jahre Briefmarken im großen Maß bei Auktionen erworben und habe sie zusammen mit meinem Bruder dann bei anderen Auktionen verkauft. Am Anfang lief es relativ gut. Jedoch wurde es immer schwieriger, weil die Nachfrage halt geringer wurde. Wer sammelt heute noch Briefmarken? Irgendwann war klar, dass das wirtschaftlich keine große Zukunft mehr haben wird. Mein Bruder ist dann irgendwie aus der Firma ausgestiegen, ich stand allein da. Und dann habe ich mich wieder für den Schuldienst beworben und so bin ich auch in die Gemeinschaftsschule gekommen. Meine erste Stelle hatte ich in einer württembergischen Gemeinschaftsschule angeboten bekommen und die habe ich sofort angenommen. Das war jetzt vor acht Jahren. Die Schule war in Hassloch.

Von Hassloch zu Hassfach. Haben Sie eins? 

Mathe. 

Aber Sie lieben Geschichte, oder? 

Ja gut, sonst hätte ich das nicht studiert, ich glaube schon. (lachen)

Wie war Ihr Notendurchschnitt? 

Mein Notendurchschnitt im Abitur war 1,4.

Alter, krass. wie haben Sie das gemacht? 

Das weiß ich selbst nicht. (alle lachen)

Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie irgendwelche Hobbys? 

Ich gehe ganz oft auf Flohmärkte. Mein größtes Hobby ist alles aus Papier, das irgendwie mit Geschichte zu tun hat. Ich sammle alte Urkunden, alte Bücher. Ich habe bestimmt mittlerweile Keller, Speicher und so weiter voll. Rund 10.000 Bücher, Zeitschriften, Flugblätter, Plakate, Postkarten. Also alles, was irgendwie die Vergangenheit dokumentiert. Mein ältestes Dokument, das ich besitze, ist ein Brief aus dem Jahr 1482. Das Neueste sind Sachen aus den 70er, 80er, 90er Jahren. Meistens mit politischem oder historischem Bezug.

Kann man das noch lesen, wenn es so alt ist? 

Das kann man lesen. Ich habe es mir autodidaktisch beigebracht. Früher gab es, das wisst ihr vielleicht nicht mehr, solche Fibeln. Und in den Fibeln, da hat man die Buchstaben einzeln gemalt. Das nannte man Sütterlinschrift, davor hieß es auch mal die „Deutsche Reinschrift“. Du hast die verschiedenen Buchstaben dann immer wieder gemalt. Dann hast du ganze Worte gemacht. Und das habe ich mir selber mit einer alten Fibel beigebracht. Und jetzt kann ich das alles lesen.

Wo kriegen Sie immer diese alten Sachen her? 

Meistens von Flohmärkten. Früher war ich auch in Antiquariaten. Dann gibt es Bekannte, die verstorben sind. Und die Witwen konnten nichts damit anfangen und wollten die Sachen verkaufen. Dann hieß es immer, der Martin sammelt es. Ich versuche halt, die Sachen für mich zu erwerben, damit ich sie teilweise auch im Unterricht einsetzen kann, damit meine Schüler und Schülerinnen zum Beispiel ein Pergament aus dem 17. Jahrhundert in französischer Sprache eben mal in der Hand halten können. Wenn man jetzt zum Beispiel ein Pergament anfasst, dann spürt man deutlich, das ist kein Papier. Sondern es ist was anderes, es ist eine Tierhaut. Und dieses Haptische, also die Sachen anfassen, ist, glaube ich, ganz wichtig. Auch in Geschichte, dass man einen direkten Bezug kriegt, nicht nur zu den Fakten, die da irgendwann auf der Tafel stehen oder digital kommen, sondern dass man die Sachen auch in die Hand nehmen kann, damit man das Gefühl hat, ey, das ist echte Geschichte. So sieht Geschichte aus.

Wie würden Sie Ihre Kindheit beschreiben. 

Meine Eltern haben uns an der langen Leine gelassen. Ich kann mich erinnern, wo ich in der Grundschule war. Ich bin nach Hause gegangen, wir haben was gegessen. Dann habe ich mit meinen beiden älteren Brüdern die Hausaufgaben gemacht. Sobald die gemacht waren, sind wir raus in die freie Natur. Ich habe Molche gefangen, Fische mit der Hand und so. Und habe dann irgendwelche Eidechsen heimgebracht und die in den Garten gesetzt. Oder ich bin auf Bäume geklettert. Einmal bin ich runter gefallen, weil ich nicht aufgepasst habe. Und deshalb habe ich auch so Schwindelgefühle, wenn ich heute irgendwo an eine Brücke runter schaue oder so, dann muss ich mich irgendwie festhalten. Ich war neulich in Prag bei der Abschlussfahrt der 10a dabei. Die haben mich gefragt „Herr Krug, gucken Sie da nicht runter?“ Ich habe gesagt, ich kann nicht runter gucken, sonst falle ich runter. (alle lachen) 

Sie haben nach der Schule zunächst Jura studiert, richtig?

Ja, ich habe Rechtswissenschaft studiert, drei Semester. Irgendwann war ich mal so frustriert, weil ich eine schlechte Note bekommen hatte und habe die Vorlesung verlassen. Ich bin in Mannheim übers Unigelände gelaufen und habe in verschiedene Räume reingespickt, u.a. auch in Germanistik. In einem anderen Raum sind Studenten und ihr Prof in so einer Art Hufeisenform gesessen. Dabei ging es um die Baden-Frage, also ob die Länder Baden und Württemberg nach dem Krieg vereint werden sollten oder nicht. Ein Thema, das mich immer sehr interessiert hat. Ja, und dann bin ich da drin geblieben und habe mitdiskutiert. Einer hat mich dann gefragt wie ich heiße. Antwort: Martin Krug. Und dann hat er gefragt, ob ich verwandt wäre mit einer gewissen Marianne Krug. Das ist meine Mutter! Da habe ich gedacht, das ist ein Wink von oben. Du studierst jetzt Geschichte und Französisch. Dabei bin ich geblieben.

Was würden Sie wohl beruflich machen, wären Sie kein Lehrer geworden? 

Also ich sage euch ganz ehrlich mich treibt es hierher. Ich muss zu euch. Ich muss in die Schule. Es ist wie eine Berufung. Also je länger ich drin bin, egal ob ich nun Vertretungslehrer bin oder nicht, ich brauche das eigentlich. Ich brauche die Schule. Ich brauche meine Schüler. Ich will meine Geschichten erzählen. Ich wüsste nicht, was ich machen sollte, wenn ich es nicht wäre. 

Wie denken Sie, sieht die Welt in 50 Jahren aus? 

Puh, also in 50 Jahren werde ich bestimmt nicht mehr leben. Aber ich erwarte schon auch ganz viel von euch, weil ich glaube, dass ganz viel zu tun ist. Das geht los mit Naturschutz, das geht weiter mit Demokratisierung. Wir haben riesige Probleme und stehen vor großen Aufgaben, was unsere Gesellschaft allgemein angeht, auch das Bildungssystem beispielsweise.  Ich wünsche mir für die Zukunft, dass es mehr echte Freundschaft geben wird, auch wirklich mehr Toleranz, mehr Gemeinschaft. Leute, die einfach uneigennützig für andere was machen. Das klingt jetzt total naiv, aber ich glaube, wenn es keine naiven Menschen mehr gibt oder Idealisten, oder wie man das auch nennen will, dann wird die Welt nicht besser. Und solange ich etwas machen kann und solange ihr etwas machen könnt, habe ich noch Hoffnung, dass in 50 Jahren die Welt anders, aber vielleicht doch ein bisschen besser ist als heute.

Mit wem würden Sie für einen Tag Ihr Leben tauschen? 

Ich glaube, mit niemandem. Ich will mein Leben leben. Und ich habe auch keine Ansprüche, dass ich sagen würde, ich will Bundeskanzler sein, weil es unglaubliche Verantwortung ist. Ganz oft haben mich Schüler gefragt, Herr Krug, wenn Sie Rektor wären… Will ich gar nicht, habe ich geantwortet. Oder Industriemanager, will ich auch nicht. Ich bleibe so, wie ich bin. Es ist meine Bestimmung. Wieso sollte ich was anderes wollen, als das, was ich bin, wenn ich doch glücklich bin?

Was gefällt Ihnen und was gefällt Ihnen nicht an der ERS? 

Also gefallen tun mir an der ERS in erster Linie die Schüler und Schülerinnen, vor allem in den Oberklassen, weil man mit euch ganz offen und ehrlich reden kann. Ich habe auch das Gefühl, dass bei euch noch diese Form von Respekt da ist, die wir früher auch mal hatten. Also wenn man in den Raum kommt, dann begrüßt man die Leute. Und dann wird man auch zurückgegrüßt. Oder wenn man von einem Lehrer etwas will oder vom Sekretariat, dann geht man erst hin und wünscht einen guten Morgen. Man sagt nicht „Ich will einen neuen Chip. Hey, rück mal raus und so.“ Aber das ist halt auch die neue Zeit. Und ich versuche mit Appellen dagegen anzugehen. Nur wenn ich total die Nerven verliere, dann brülle ich vielleicht auch mal. An der ERS gefällt mir vor allem auch die Schulleitung mit Herrn Pallesche und Herr König-Kurowski, weil man ganz offen und ehrlich mit ihnen reden kann. Ich kann mich erinnern, wie Herr Pallesche zu mir gesagt hat, Herr Krug, für mich ist die Gemeinschaftsschule keine Ideologie, sondern wir sind eine echte Gemeinschaft. Und wenn Sie irgendein Problem haben, dann kommen Sie zuerst zu mir und reden mit mir.  Ich bin auch kein so einfacher Lehrer, weil ich viele Sachen sage, die andere nicht aussprechen, weil sie vielleicht nicht den Mut haben. Ich weiß es nicht. Schwierig an der ERS ist sicherlich zum Teil die Disziplin und auch der Umgang mit Respekt in den unteren Klassen, in den mittleren Klassen. Das ist anders bei euch in den Oberklassen. Und da habe ich ein bisschen Angst, weil ich sehe, was so kommt von den ganz Kleinen. Es gibt immer wieder Ausnahmen, aber ich sage mal, im Großen und Ganzen entwickelt sich das nicht so gut. 

Die letzte Frage ist ein bisschen random. Wenn Sie ein Gemüse wären, welches wären Sie? 

Bin ich ein Gemüse? Ich wollte eigentlich nie Gemüse sein. (alle lachen) Ich bin eigentlich eher im Bereich der Fauna unterwegs. Aber eigentlich würde ich gern so bleiben wie ich bin. 

Tun Sie das! Dankeschön für das nette Interview.

Mehr von Herrn Krug gibt es auch im neuen Video auf Ernschtle-TV zum Tag gegen Rassismus. Schaut es euch an!

schaetzlesarah@yahoo.com

Mein Name ist Sarah Schätzle. Ich bin 14 Jahre alt und in der 8. Klasse. Ich liebe es zu zeichnen, zu malen und zu basteln. Ich will einen Abschluss im E-Niveau machen um irgendwann Grundschullehrerin zu werden. Dem Ernschtle bin ich beigetreten weil ich etwas neues ausprobieren wollte. Auch meine Schwester Selina war schon mal in der Redaktion. Sie hat mir viel Positives berichtet. Die Ernschtle-Ausflüge nach Bristol und Island wird sie nie wieder vergessen.

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