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Ein offener Brief

Gemeinschaftsschule: Fluch oder Segen? Zuletzt hatte der deutsche Philologenverband das Modell Gemeinschaftsschule kritisiert und damit hohe Wellen geschlagen. Ernschtle-Redaktuerin hat sich der Kritik angenommen und einen offenen Brief geschrieben. Dabei widerspricht sie deutlich. Gemeinschaftsschulen - kein

Gemeinschaftsschule: Fluch oder Segen? Zuletzt hatte der deutsche Philologenverband das Modell Gemeinschaftsschule kritisiert und damit hohe Wellen geschlagen. Ernschtle-Redaktuerin hat sich der Kritik angenommen und einen offenen Brief geschrieben. Dabei widerspricht sie deutlich.

Gemeinschaftsschulen – kein Druck beim Lernen, viel Freiheit, mehr Praxis als Theorie. Genau so wurden Gemeinschaftsschulen abgestempelt. Auch viele Gymnasiallehrer wenden sich nun gegen die neue Schulart, mit schwerwiegenden Kritiken. So behaupten einige, sie sei eine Sackgasse, aus der man nicht rauskommt. Leistungsstarke Schüler müssen laut ihnen die ganze Lerngruppe mit sich ziehen, um durch eigene Leistung den Durchschnittswert zu verbessern. In den höheren Lerngruppen werden Lehrer laut Behauptungen dazu gezwungen die Anmeldenoten zu verschönern. Jeder Tag sei an dieser Schulform ein Kampf. Nur ein Bruchteil der vielen Gemeinheiten, die zurzeit die Gemeinschaftsschulen „beschmutzen“.

Ich selbst bin jetzt seit ganzen vier Jahren an der Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule und bin entsetzt, ich kann diese Vorwürfe einfach nicht nachvollziehen. Zumal ich einen ganz anderen Eindruck von meiner Schule besitze. Die vielen Möglichkeiten, sich hier weiterzuentwickeln, selbstbewusster zu werden und viele andere tolle soziale und technische Fähigkeiten mitzunehmen gibt es mit Abstand an keinen anderen Schulen. Wir entdecken unterschiedliche Kulturen und Länder und das nicht nur durch Bilder aus dem Unterricht. Irland, Berlin, Hamburg, Island, England… all das waren einige der Orte, die von unserer Schule gesichtet wurden. Bei Besuchern von außerhalb berichten wir gerne mal, wie stolz wir auf unsere Schule sind. Auf jedes erreichte Ziel. Dazu gehört auch das Projektfach L.E.B.E.N., wo wir uns auf das Leben nach der Schule vorbereiten, aber nicht nur. Wir engagieren uns dort bei Einrichtungen, wie z.B. Kindergärten, Seniorenheimen und Schulen. Entwickeln Projekte und machen die Schule zu einem Wohlfühlort, zu unserem Ort. Manchmal mit mehr Erfolg und manchmal mit weniger, doch die Erfahrungen sind es wert. Auch eine Schülerzeitung darf bei so einer coolen Schule nicht fehlen. Mit dem Namen „Ernschtle“ ist sie garantiert ein Unikat. Was ihr spätestens jetzt wissen müsstet. Schließlich lest ihr gerade einen Beitrag davon. Mit ihr haben wir schon einige Preise gewonnen. Sei es der Preis für die Beste Schülerzeitung Deutschlands 2016 und 2020, aber auch der für den Online Blog 2020. Die Schülerzeitung ist ein großer Teil unserer Schule. Wir alle sind ein großer Teil unserer Schule. Denn wir sind diejenigen, die sie zum Leben erwecken.

Unsere Schule ist nicht perfekt und manchmal gibt es noch kleine Baustellen, doch dafür ist sie umso lebendiger! Zusammenhalten, sowohl wichtigen Lernstoff als auch den spaßigen Teil uns Schülern beibringen und einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das macht für mich in Wirklichkeit eine gute Schule aus. Keiner verneint, dass ein toller Notenschnitt nicht vollkommen unwichtig ist, oder dass eine Disziplin bei Schülern erwartet wird. Aber auch das haben wir. Durch eigenständiges lernen auf drei Niveaustufen, hat zwar jeder von uns unterschiedlich aufgebaute Aufgaben, bei denen wir uns aber gerne mal gegenseitig unterstützen. Wir können nicht nur gemeinsam arbeiten, sondern auch allein. Mithilfe von Lernplänen erarbeiten wir uns die einzelnen Unterrichtsthemen, manchmal dann aber doch lieber mit dem Lernbegleiter. Wir unterscheiden uns alle in dem, was wir sagen, machen und leisten. Es wäre ja auch ziemlich eigenartig, wenn wir alle gleich wären. Man kann doch gar nicht erwarten, dass jeder gleich gut oder schlecht ist. Dafür sind unsere Persönlichkeiten einfach zu verschieden. So ist es auch in anderen Schulen, wo das hingegen als Problem gesehen wird. Es ist die Sichtweise der Dinge, die an unserer Schule den Unterschied zu anderen Schulen sichtbar macht. So hat man uns nahegelegt, dass eine Arbeit mit Noten oder eben Prozenten, nicht gleich eine Analyse ist, wie schlau oder dumm man ist. Es ist vielmehr eine Bestätigung für uns, wie gut wir ein Thema verstanden und uns darauf vorbereitet haben. Diese Einstellung sollte meiner Meinung nach, jeder einzelne Schüler haben, denn das ist der Schlüssel zum Erfolg. Oftmals bringen dich deine eigenen Ängste an die Grenze. Themen lernen und diese erarbeiten, kann jeder. Doch können genauso viele, diese in einer eher knappen Zeit wieder abrufen? Nicht immer, was größtenteils mit dem Leistungsdruck zusammenhängt, dem man an vielen Schulen nicht entgehen kann.

Für mich passen die Behauptungen mit meinen Erfahrungen einfach nicht zusammen. Im Internet beschwert man sich darüber, dass uns, den Schülern Disziplin fehlt, wo hingegen selbstständiges Arbeiten, nach seinen Stärken und mit der richtigen Einstellung mit sehr viel Disziplinen zu tun hat. Es ist teilweise sogar erschreckend, wie schnell sich durch einzelne Argumente eine Meinung über die ganze Bandbreite bildet.

Was sind denn ideale Schulprinzipien? Hier gibt es einfach kein richtig und kein falsch. Es gab und wird immer Leute geben, die mit bestimmten Innovationen nicht ganz warm werden. Einige kommen dann doch wohl eher mit traditionellen Schulprinzipien besser klar. Jedoch soll es dann nicht gleich heißen, dass die Schule und alle Mitbeteiligten nicht in der Lage sind, zu unterrichten/ unterrichtet zu werden. Nur weil wir uns von anderen unterscheiden, in dem die Medien unsere Arbeitspartner und nicht Gegner sind, oder, indem wir unsere Möglichkeiten nutzen, um positives zu bewirken, sind wir deswegen nicht gleich ein hilfloser Fall. Ich für meinen Teil, habe an dieser Schule, meine Stärken und Schwächen kennen lernen dürfen. Außerdem durfte ich nicht nur Wissen über die vielen Lehrfächer mitnehmen, die wir alle früher oder später lernen müssen, sondern habe auch mich selbst besser kennengelernt. Ich wurde vom schüchternen Mädchen, zu jemand selbstbewusstem. Die sich nicht davor scheut, durch ihren eigenen Beitrag die Schule und vielleicht auch ein bisschen die Welt ein stückweit zu verändern. Im Leben gibt es bei allem eine “ Win Win“ Situation. So lange man seine Ziele im Auge behält und diese anstrebt, kann man jeden Weg gehen um sie zu erreichen. Doch der beste Weg für eine tolle und unvergessliche Schulzeit sind Gemeinschaftsschulen, insbesondere die Ernst-Reuter-Schule.

Gerade in Zeiten wie diesen, wo die Corona Krise unser Leben aufs Höchste einschränkt und wir vieles nun von zu Hause aus machen müssen, so auch den Unterricht, merkt man die klaren Vorteile von Gemeinschaftsschulen. Wir führen Videokonferenzen, in denen wir uns mit den Lernbegleitern und Mitschülern austauschen. Auch von unserer Schulleitung kriegen wir in Form von unterhaltsamen Videobotschaften jeden Donnerstag was zu hören und zu tun. Unsere Selbstständigkeit ist für uns in dieser Lage ein klarer Vorteil. Wir bewältigen diese Situation gemeinsam, denn nur so ist es möglich. Wir helfen und motivieren uns gegenseitig, so wie wir es von unserer Schule gewohnt sind. Es ist schön anzusehen, dass alle sich die Mühe geben, mit ihren Beiträgen, die ungewohnte Situation ein Tick besser zu gestalten. All diese gemeinsamen Erfahrungen und Erinnerungen, die ich hier erlebt habe, werde ich nie vergessen. Sei es, die gegenseitige Unterstützung in nicht so schönen Zeiten, oder eben das jährliche Zusammenkommen vor den Weihnachtsferien, wo all unsere Glücksmomente in einem Video gezeigt werden. Aber auch die oftmals außergewöhnlichen Projekte, zu denen auch der Rote Salon, das Ideenbüro, das Wunderland und und und zählen, behalte ich als schöne Erinnerung. Ich hoffe inständig, dass die negativen Äußerungen gegenüber Gemeinschaftsschulen bald ein Ende nehmen und die Schulform auch mal Lob und Anerkennung zu hören bekommt, denn das hat sie mehr als nur verdient.

Viola Reichel

Viola ist 14 Jahre alt und Teil der Lerngruppe 9. Mit ihrem Einfallsreichtum war sie tatkräftig am Aufbau des Ideenbüros beteiligt. Viola ist Teil des Präsentationsteams L.E.B.E.N. und seit 2018 Schülerzeitungsredakteurin. Mit ihren Berichten hat sie maßgeblich zum Erfolg des „Ernschtle“ beigetragen (u.a. 2020 Erster Schülerzeitungspreis Deutschlands)

viola123456@gmx.de

Hey, ich bin's Viola! Neben meiner Arbeit als Ernschtle-Redakteurin leite ich das Ideenbüro im Wunderland. Da gibt es immer viel Spannendes zu tun. In meiner Freizeit lese ich sehr gerne und schaue YouTube Filme.

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