Homeschooling, eine Unterrichtsform mit Zukunft?
Letztes Jahr ging es los, ab dem 13. März 2020 wurden die Schulen geschlossen und der Onlineunterricht begann. Anfangs war es kompliziert, doch es wurden Lösungen gefunden und neue Arten des Lernens entwickelt. Jetzt dauert
Letztes Jahr ging es los, ab dem 13. März 2020 wurden die Schulen geschlossen und der Onlineunterricht begann. Anfangs war es kompliziert, doch es wurden Lösungen gefunden und neue Arten des Lernens entwickelt. Jetzt dauert dieser Zustand, der eigentlich nur für zwei Wochen geplant war, schon über ein Jahr an und es ist immer noch kein Ende in Sicht, doch ist dieses Ende überhaupt nötig? Ist Homeschooling vielleicht die Unterrichtsform der Zukunft? Es lohnt sich, einen genaueren Blick auf diese Frage zu richten.
Eine Bestandsaufnahme von Ernschtle Redakteurin Lilly Nikolai
Die Digitalisierung in Schulen ist stark vorangeschritten, was Anfang letzten Jahres noch undenkbar war, ist jetzt Normalität. Schüler lernen von zu Hause im Homeschooling über unterschiedlichste Schulplattformen. Dies klappt bei 16% der Schülerinnen und Schülern sehr gut. Insgesamt hat eine Umfrage von JIMplus ergeben, dass Homeschooling mit einer Note von 2,5 von den Schülern bewertet wird. Aus meiner Sicht funktioniert beispielsweise der OnlineUnterricht an meiner Schule ausgesprochen gut und ich komme sehr gut damit zurecht. Sogar meine Noten haben sich in dieser Zeit in manchen Fächern ein wenig verbessert. Technisch wird das Homeschooling in der JIMplus Umfrage sogar mit einer Note von 1,9 bewertet. Diese Note spricht sehr dafür, dass sich die Digitalisierung in den Schulen sehr stark verbessert und angepasst hat.
Ein weiteres Argument, welches dafür spricht, dass Homeschooling auch in der Zukunft weiterhin bestehen bleiben sollte ist, dass Schülerinnen und Schüler dabei lernen mit ihren Probleme alleine umzugehen und lernen sich selbst zu helfen. Dies kann in der Zukunft dieser Kinder und Jugendlichen ein großer Vorteil sein. Durch diese Form des Arbeitens lernt man mit technischen, schulischen und eigenen privaten Problemen umzugehen und diese zu lösen ohne immer gleich nach einem Lehrer zu rufen. Dieser Lernfortschritt ist wichtig und wurde durch das Homeschooling ausgelöst. Schülerinnen und Schüler, die heute über das Homeschooling lernen, gewinnen dabei wertvolle Kompetenzen für ihr späteres Berufsleben und werden besser zurechtkommen, weil sie dadurch schon früh gelernt haben alleine und selbständig zu arbeiten. Zusätzlich lernt man durch diese Art des digitalen Lernens Routinen zu bilden und sich selbst seine Aufgaben zeitlich einzuteilen, wodurch man mehr Verantwortung für die eigene Arbeit übernimmt. Dies kann wieder in der Zukunft eine wichtige und nützliche Rolle spielen.
Außerdem ist Homeschooling heutzutage eine wichtige Form um Mädchen für Technik zu interessieren, denn auch noch in der heutigen Zeit arbeiten viel mehr männliche Personen in technischen Berufen als weibliche. Um dies zu ändern ist es wichtig, schon früh auch Mädchen an Technik heranzuführen und allen den Zugang zu diesem Feld zu eröffnen, da ist Homeschooling eine große Hilfe. Früher war es zum Beispiel für Mädchen und Frauen untersagt, mit Technik und Maschinen zu arbeiten (oder besser: die männlich bestimmte Berufswelt hat es ihnen einfach nicht zugetraut), doch heute wissen wir es besser. Es muss unterstützt werden, dass auch weibliche Personen einen technischen Beruf erlernen und Begeisterung dafür empfinden.
Nach all diesen positiven Gesichtspunkten zur Frage, ob Homeschooling die Unterrichtsform der Zukunft sein kann, sollten nun auch die kritischen Stimmen zu Wort kommen. Ein ernstzunehmendes Problem besteht nämlich darin, dass durch das Homeschooling soziale Kontakte vernachlässigt werden, welche durch die Pandemie ohnehin schon eingeschränkt sind. An diesem Zustand sollten wir in Zukunft auch ohne den Virus auf keinen Fall festhalten, denn ein Mensch ist ein Lebewesen, das sozialen Kontakt dringend benötigt. Schon vor hunderten Jahren haben Menschen in „Rudeln“ gelebt, dieses für das Überleben notwendige Verhalten darf man nicht durch das Homeschooling unterbrechen. Tatsächlich leiden viele Jugendliche und Kinder darunter, keinen Kontakt mehr zu ihren Freunden zu haben – letztes Jahr noch gab es viele Möglichkeiten sich untereinander zu treffen. Beispielsweise in der Schule sah man sich jeden Tag und die sozialen Kontakte und die Teamfähigkeit wurde zum Beispiel durch Klassentage oder Ausflüge gestärkt. Dies fällt nun komplett weg und dieser beklagenswerte Zustand sollte nur so kurz wie möglich so bestehen.
Zu berücksichtigen ist auch die negative Folge des Homeschoolings, dass Schülerinnen und Schüler zu viel Zeit an ihren mobilen Geräten verbringen. Eine Studie des Ifo-Instituts zeigt, dass die Bildschirmzeit der Jugendlichen von 4 Stunden pro Tag auf 5,2 Stunden gestiegen ist. Ein Bespiel dafür ist die 16-jährige Berliner Schülerin Emma Haverkamp, sie erklärt in ihrem am 05.05.2021 in der taz erschienenen Essay deutlich, dass ihre Bildschirmzeit auf ein ungesundes Level gestiegen ist und es den meisten ihrer Freunde gleich ergeht. Vor wenigen Jahren galt eine so hohe Nutzungsdauer der mobilen Geräte noch als höchst schädlich und nun ist eine deutlich zu hohe und gefährdende Nutzung Normalität bei Schülerinnen und Schülern. Dieser Zustand darf so nicht beibehalten bleiben, denn auch Grundschüler leiden schon darunter.
Das wichtigste Argument für mich, welches gegen das Beibehalten des Homeschoolings spricht, besteht darin, dass die Motivation der Schülerinnen und Schülern immer weiter sinkt beziehungsweise nicht mehr vorhanden ist. Auch hier ist Emma Haverkamp ein Beispiel, sie beschreibt das Homeschooling, als „ein(en) Rucksack aus Aufgaben, Stress, Druck und Erwartungen“. Motivation ist bei ihr kaum vorhanden und der letzte Funken Kreativität sei komplett verblüht. Homeschooling ruft bei 38% eine große psychische Belastung hervor, dies zeigt eine Studie des Ifo-Institutes. Die Schülerinnen und Schüler haben nach einem ganzen Jahr vom nur Zuhausesitzen genug, es fehlt ihnen die Motivation für einfach alles – Schule wird dadurch vernachlässig, sowie auch Sport und auch die sozialen Kontakte. Die Zeit, welche für Schule aufgewendet wird, ist von 7,4 Stunden pro Tag auf nur noch 3,6 Stunden gesunken… und das innerhalb nur eines Jahres. Es ist sogar 64% der Eltern der Schülerinnen und Schülern bewusst, dass ihre Kinder weniger lernen als zuvor, aber helfen können sie auch nicht, da die Motivation ihrer Kinder einfach nicht mehr vorhanden ist.
Insgesamt kann man erkennen, dass Homeschooling viele positive und negative Seiten hat. Es wurde die Digitalisierung an Schulen stark vorangetrieben, Mädchen werden dadurch an Technik interessiert und Jugendliche lernen selbstständig zu lernen und Probleme alleine zu lösen. Doch andererseits leiden die Schülerinnen und Schüler dadurch auch an mangelnden Kontakten zu Freunden und anderen Gleichaltrigen, die Bildschirmzeit steigt aufs höchste und die Motivation für Schule, Sport und Ähnliches sinkt bis auf null.
Meiner Meinung nach muss eine andere Lösung gefunden werden, die Zukunft der Unterrichtsform sollte auf keinen Fall nur Homeschooling sein. Es gibt Fächer, welche online stattfinden können, aber Hauptfächer, wie Mathe oder Deutsch sollten so bald wie möglich wieder in den Schulen stattfinden, zum Wohle der Schüler*innen. Außerdem sollte über das genaue System des Homeschoolings nochmal nachgedacht werden, da es so, wie es momentan ist, für viele zu viel Stress und zu viel Druck auslöst. Wenn dies geändert werden würde, dann würde auch die Motivation wieder steigen und die Noten der jeweiligen Schülerinnen und Schülern würden sich verbessern.
Stellt euch doch mal vor, ihr hättet immer einen so schweren Rucksack aus Aufgaben, Stress, Druck und Erwartungen, wie so viele Schülerinnen und Schüler in der jetzigen Situation. Könntet ihr damit umgehen oder würdet ihr nicht auch wollen, dass sich endlich wieder etwas ändert und dieser Zustand nicht für noch länger als Normalität gilt? Höchste Zeit, den Rucksack aufzuschnüren und wieder tragbar zu machen.
Text: Lilly Nikolai, Illustration: Selin Özarslan