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Was geht ab, USA?

Interview mit der Washington-Korrespondentin Nina Barth und ein Ausblick auf das, was nun auf uns zukommen könnte. Donald Trump wurde gestern als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Wenn man gehofft hatte, dass alles schon nicht

Interview mit der Washington-Korrespondentin Nina Barth und ein Ausblick auf das, was nun auf uns zukommen könnte.

Donald Trump wurde gestern als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Wenn man gehofft hatte, dass alles schon nicht so schlimm kommen würde und vieles nur Wahlkampf war, so muss man heute schon sagen: Donald Trump scheint ernst zu machen. Er geht sogar so weit, dass er sich von Gott berufen sieht!

Kurz vor Weihnachten schon hatten wir das Vergnügen, die ARD Korrespondentin Nina Barth bei uns in der Redaktion begrüßen zu dürfen. Nina stammt aus Karlsruhe und war so nett, während ihres Heimaturlaubs ein Interview mit uns unterzubringen. Wie kam Sie dazu, Auslandskorrespondentin zu werden? Wie ist das Leben in den USA? Und was sagt sie zu Präsident Donald Trump?

Ernschtle: Liebe Frau Barth, wie haben Sie Ihren Weg in den Journalismus gefunden?

Nina Barth: Schon in der fünften Klasse wusste ich, dass ich Reporterin werden möchte. Während der Schulzeit habe ich für die Badischen Neuesten Nachrichten geschrieben. Nach dem Abi habe ich Amerikanistik und Erziehungswissenschaften studiert, weil ich feststellen musste, dass ein Studium oft Voraussetzung für ein journalistisches Volontariat ist. Während eines Praktikums bei einem Radiosender wurde mir klar, dass Radio mir mehr Spaß macht als Zeitung. Danach habe ich mein Studium abgeschlossen und ein zweijähriges Volontariat gemacht – das ist die Grundausbildung für Journalisten.

Ernschtle: Warum haben Sie Amerikanistik und Pädagogik studiert?

Nina Barth: Ursprünglich wollte ich gar nicht studieren, weil ich direkt Journalistin werden wollte. Aber da ein Studium oft Voraussetzung war, habe ich etwas gewählt, das mich interessiert. Pädagogik habe ich ergänzt, um mir weitere berufliche Optionen offenzuhalten, falls der Journalismus nicht klappt.

Ernschtle: Sie waren lange im ARD Hauptstadtstudio in Berlin tätig, bevor Sie in die USA gerufen wurden. Wie lange leben Sie nun schon in Washington?

Nina Barth: Seit zweieinhalb Jahren, seit dem 1. September 2022.

Ernschtle: Wie gefällt Ihnen Washington und generell am Leben in den USA?

Nina Barth: Washington ist politisch faszinierend, aber keine typische amerikanische Stadt. Es ist eine „Bubble“ voller Politiker und Menschen im Anzug. Privat würde ich eher in den Süden der USA ziehen, vielleicht auf eine Ranch in Arizona. Generell liebe ich Amerika, seit ich als Austauschschülerin ein Jahr in Pennsylvania verbracht habe.

Ernschtle: Über welche Themen berichten Sie aktuell?

Nina Barth: Der US-Wahlkampf war zuletzt das große Thema. Besonders spannend waren die unerwarteten Entwicklungen, wie Kamala Harris’ Kandidatur nach Joe Bidens Rückzug. Neben Politik berichten wir im ARD Studio Washington auch über bunte Themen. So waren wir vor kurzem bei einer Tourismuskampagne für Außerirdische dabei, das war im Bundesstaat Kentucky. Ansonsten liegt mir Sport besonders am Herzen, und ich würde gerne mal über den Super Bowl berichten. 

Ernschtle: Gibt es Themen, die Sie schwierig oder belastend finden?

Nina Barth: Finanzpolitik und juristische Themen finde ich herausfordernd, weil ich darin kein Experte bin. Besonders belastend sind jedoch tragische Ereignisse wie z.B. Schießereien an Schulen, was wegen der laschen Waffengesetze ja leider recht häufig passiert in den USA. 2022 war ich bei einer solchen Tragödie in Texas dabei, bei der 22 Menschen ums Leben kamen. In solchen Situationen ist es schwer, professionell und neutral zu bleiben.

Ernschtle: Die USA ist in zwei Lager geteilt: Pro Trump und contra Trump. Wie erleben Sie die Spaltung der Gesellschaft in den USA?

Nina Barth: Die Spaltung ist extrem – es fühlt sich an, als gäbe es zwei Länder: Das rote Amerika der Republikaner und das Blaue der Demokraten. Diese Spaltung zerstört sogar Familien. Ich kenne zwei Schwestern, die beschlossen haben, nie wieder über Politik zu sprechen, um ihre Beziehung zu retten.

Ernschtle: Schon krass. Aber warum wählen so viele Menschen Donald Trump? Er ist ein Lügner ein Selbstdarsteller, ein Straftäter, ein Hetzer,…

Nina Barth: Viele sehen in ihm denjenigen, der ihre wichtigsten Sorgen – Sicherheit und wirtschaftliche Probleme – am besten löst. Manche Wähler trennen strikt zwischen seiner Persönlichkeit und seinen Fähigkeiten. Ein Trump-Wähler sagte mir einmal: „I don’t care if the pilot is mean. As long as you can fly the plane.“  („Es ist mir egal, ob der Pilot einen miesen Charakter hat, solange er das Flugzeug fliegen kann.“) Das erklärt, warum selbst Frauen oder Latino-Wähler für ihn stimmen.

Ernschtle: Wie unterscheidet sich der Wahlkampf in den USA von dem in Deutschland?

Nina Barth: Der Wahlkampf in den USA ist ein riesiges Spektakel – mit Musik, Merchandising und einer fast religiösen Stimmung. Es geht weniger um Inhalte, sondern um Emotionen und Show, ganz besonders natürlich bei Donald Trump.

Ernschtle: Haben Sie Donald Trump schon einmal getroffen?

Nina Barth: Ja, ich habe ihn auf Wahlkampfveranstaltungen und Parteitagen mehrfach erlebt. Er hat eine starke Bühnenpräsenz und Charisma, was viele Menschen überzeugt, auch wenn sie seinen Charakter wie ich sehr kritisch sehen.

Ernschtle: Wie stark ist der Einfluss der US-Politik auf Schulen?

Nina Barth: Das ist schwer zu beurteilen, da ich noch keine Schulen besucht habe. Aber in republikanischen Staaten wie Florida beeinflusst die Politik den Unterricht schon stark. Dort sind z. B. Schulbücher verboten, die über LGBTQ-Themen oder Sklaverei informieren. 

Ernschtle: Was vermissen Sie aus Deutschland?

Nina Barth: Definitiv deutsches Brot und Kräuterquark! Auch Freunde und Familie fehlen mir, aber ansonsten vermisse ich nicht viel.

Ernschtle: Wie lange haben Sie vor noch in Washington zu bleiben?

Nina Barth: Mein Vertrag läuft bis 2027. Danach kehre ich wahrscheinlich nach Deutschland zurück.

Ernschtle: Dann hoffen wir für Sie, dass Trump nur einen Bruchteil seiner Wahlversprechen einhält und Sie weiterhin ein schönes Leben in Washington haben werden. Vielen Dank für Ihre Zeit.

Nina Barth: Vielen Dank. 

Trump ist dafür bekannt, Entscheidungen schnell und ohne viel Rücksprache mit anderen Ländern zu treffen. Denkt nur an seine Forderung, dass Oder dass Grönland amerikanisch werden soll. Oder dass Europa mehr für seine Verteidigung bezahlen soll. Jetzt wo er wieder Präsident ist, wird er das wohl erneut verlangen. Aber wie würde Europa darauf reagieren? Würden Deutschland, Frankreich, Italien und co. ihre Verteidigungsausgaben erhöhen?

Auch im Handel könnte es wieder zu Konflikten kommen. Während seiner ersten Amtszeit erhob Trump hohe Zölle auf europäische Produkte, was den Handel erschwerte. Wenn die USA nun erneut Zölle auf europäische Waren erheben, so könnten auf deutsche Autos, französischer Wein, oder auch italienische Mode in den USA deutlich teurer werden. Weniger Menschen werden dieses Produkte kaufen und es besteht die Gefahr, dass die europäischen Produzenten Leute entlassen müssen. Aber was würde Europa tun? Würde es mit eigenen Zöllen auf US-Produkte antworten? Könnte das zu einem Handelskrieg führen? Hier droht eine echte Belastung für die Wirtschaft.

Ein weiteres Thema, das für Europa wichtig ist, ist der Klimaschutz. Als eine seiner ersten Amtshandlungen ist Trump aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Er leugnet den Klimawandel, ja er verhöhnt ihn sogar. Stattdessen setzt er voll auf nicht erneuerbare Energien wie Kohle oder Gas. „Was bedeutet das für Europa, das immer noch große Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel unternehmen möchte? „Drill, baby, drill!“ ist sein Motto. Fördert so viel Gas und Kohle wie nur möglich! Für uns Europäer wird es nun wohl schwieriger werden, andere große CO2 Produzenten wie China oder Indien zu Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen.

Bleibt noch das Thema Migration. Trump hat bereits in der Vergangenheit strenge Regeln gegen Migranten durchgesetzt und scheint nun wirklich ernst zu machen. An der Grenze zu Mexiko hat er gleich nach Amtsantritt den Notstand ausgerufen. Des weiteren will er „Illegale“ rücksichtslos abschieben. Verständlich, dass bei vielen in den USA nun die Angst umgeht. Wie wird die amerikanische Zivilgesellschaft auf die neuen Zustände reagieren?

All diese Fragen zeigen: Die Beziehung zwischen den USA und Deutschland bzw. Europa wird auf die Probe gestellt werden.

Nächstes Jahr wollen wir Nina Barth dann nochmal treffen – wir sind heute schon gespannt, was sie uns berichten wird.

Text: Sophie Schipper / Axel Goerke
Interview: Lotta Brecht / Sofia Günther
Bilder: Nina Barth

lotta.bracht@ernschtle.de

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